Coesfeld, Berkelumflut: Raindrops II

Die Arbeit „Raindrops II" dokumentiert Zeit und die Veränderungen in der Zeit. „Raindrops II" ist einem dauernden Wandel unterworfen. Wie Regentropfen liegen orangerote rechteckige Acrylglasscheiben auf einer schmalen transparenten Kunststoffbahn, die auf dem Wasser der Berkelumflut schwimmt. Ihre Abstände voneinander sind unregelmäßig, dem Zufall unterworfen. Die Trägerschicht erscheint fast unsichtbar, so dass die orangeroten Formen wie auf dem Wasser schweben. Die Farbe und die strenge geometrische Form der Acrylglasscheiben stehen gegen die Formen der sie umgebenden Natur. Sie wirken sehr bewusst künstlich. „Raindrops II" erscheint als eine künstliche Setzung in die Natur. Doch die Arbeit reagiert auf ihre Umgebung. In ihrer Abfolge markieren die Acrylscheiben eine künstliche Spur im Wasser. „Raindrops ll', zeichnet so ein kleines Stückchen des Verlaufes der Berkelumflut nach. Mehr noch, zugleich verdeutlicht die Arbeit auch die Bewegung des Wassers. Die langsamen Wellen und die sanften Strömungen werden so zum Teil erst einmal richtig wahrgenommen. Die orangeroten Formen verstärken die natürlichen Bewegungen. „Raindrops II" verändert sich selbst ja nach Licht- und Schattenfall.

Das helle Sonnenlicht spiegelt sich auf den Acrylglasscheiben, im dunklen Schattenwurf erscheinen sie nahezu unsichtbar. Auch der Standort des Betrachters verändert den Eindruck. Die Installation erscheint als ein durchlaufendes Band, Formen wirken manchmal als einzelne Elemente. „Raindrops II" verliert mit der Zeit alle Künstlichkeit. Die bewusst gewählte, nicht natürliche Farbigkeit der kleinen Acrylglasformen büßt mit der Zeit ihren Kontrast zur Farbigkeit der Natur ein. Schmutz, Blätter und andere Ablagerungen auf der transparenten Trägerschicht lassen die Arbeit mehr und mehr zu einem Teil der sie umgebenden Natur werden.

Anita Lernet macht mit ihrer Arbeit Natur deutlich. Die Wandlungen der Zeit, die Veränderungen, denen alle Natur unterliegt, werden mittels Kunst sichtbar gemacht. Zugleich wird Kunst ein Teil der sie umgebenden Natur. Anita Lernet setzt ein Zeichen in die atur, indem sie mittels Kunst Spuren markiert, um so auch für das Wirken der Natur und der natürlichen Prozesse zu sensibilisieren.

Ausstellung “Wasserwerke” und in der Städtischen Turmgalerie, Coesfeld 2006

Städtische Turmgalerie Coesfeld, Seismogramme, Arbeiten auf Papier

Anita Lernets „Seismogramme" sind mehr als nur Zeichnungen. Sie hält in ihren Arbeiten ihre Bewegungen und ihre Empfindungen fest. In einem unbewussten, automatischen Prozess reagiert die Künstlerin auf die sie umgebenden Eindrücke. Dies können sowohl Texte als auch Musik oder Geräusche sein. Mit farbigen Stiften und Kreiden zeichnet sie unbewusst auf große mehrteilige Bildträger. Teilweise den Rücken den Holzbildträgern zugedreht oder mit geschlossenen Augen, versucht Anita Lernet in ihren Arbeiten jede bewusste Steuerung des künstlerischen Prozesse auszuschließen.

Das Ergebnis dieses Prozesses sind Zeichnungen, in denen sie immer wieder dünne Linien in unterschiedlichen Farben übereinander schichtet. Anita Lernet schafft so ein Gespinst aus zufälligen Spuren. Es ist ein Gegen- und Miteinander aus Verdichtungen von Linien und deren Auflösungen. In einem Gewirr aus unbeabsichtigten Formen mischen sich zeichnerische Elemente mit solchen, die an Schriftformen erinnern. Die vielfach übereinander gelegten Linien können in einigen Arbeiten zwar sowohl räumliche als auch figurative Vorstellungen erwecken, diese bleiben aber immer unbestimmt, vage und unbewusst. Anita Lernets Arbeiten halten die Zeit fest. Sie dokumentieren ihr eigenes Entstehen. Es sind zeichnerische Protokolle eines Arbeits- und Erfahrungsprozesses, den die Künstlerin für die Betrachter offen legt. Ihre „Seismogramme" sind Belege der verlaufenden Zeit und der Bewegung in dieser Zeit.
(Falko Herlemann)

 

Städtische Turmgalerie Coesfeld, Seismogramme, Arbeiten auf Papier
Städtische Turmgalerie Coesfeld, Seismogramme, Arbeiten auf Papier Städtische Turmgalerie Coesfeld, Seismogramme, Arbeiten auf Papier